Kolumne: Late to the Party #6: Assassin’s Creed: III – Liberation (2024)

Ubisoft führte in Assassin’s Creed III mit Ratonhnhaké:ton einen ganz neuen Helden ein, der in der Fortsetzung Assassin’s Creed III – Liberation aber ausgewechselt wurde. Diesmal steht eine Frau im Mittelpunkt, was aber auch für Feministinnen kein Grund zur Freude sein dürfte.

Dass ich von Assassin’s Creed III beziehungsweise dessen desaströses Remaster gar nicht mal so angetan bin wie erhofft, konntet ihr bereits Anfang 2024 im fünften Teil dieser Kolumnenreihe ausführlich nachlesen. Da im Remaster auch das Spin-off Assassin’s Creed III – Liberation enthalten ist, möchte ich euch auch zu diesem Titel meine inzwischen zur waschechten Abneigung gewachsenen Einstellung zur Serie nicht vorenthalten. Zuerst müssen wir jedoch eine kurze Zeitreise ins Jahr 2012 machen. Zeitgleich mit der für die PlayStation 3 und Xbox 360 veröffentlichten Fassung von Assassin’s Creed III erschien für die PlayStation Vita ein Handheld-Ableger. Hätte ich im Oktober 2012 bereits Sonys portable Konsole besessen, so hätte ich mir das kurzweilige Action-Adventure sicherlich im Original zugelegt. Da sich das Abenteuer auf der PlayStation Vita vermutlich nicht häufig genug verkauft hat, folgten zwischen 2014 und 2019 Ausgaben für die PlayStation 3, die Xbox 360, die PlayStation 4, die Xbox One und den PC. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich Assassin’s Creed III: Liberation erst auf der PlayStation 5 in der PlayStation-4-Version nachholen konnte, denn die PlayStation-Vita-Fassung krankt wohl an erheblichen technischen Problemen, wie mir die Rezensionen der Vergangenheit weismachen wollen. Ein deutlich besseres Spiel ist der Titel dadurch aber noch lange nicht, wie ihr anhand meiner folgenden Ausführungen im Detail feststellen dürft.

Fragmentierte und vorhersehbare Story

Handlungstechnisch befinde ich mich abermals im späten 18. Jahrhundert. Die amerikanische Revolution bekomme ich nur ganz am Rande mit, denn anstatt Nordamerika um Boston und New York kennenzulernen, bewege ich mich hauptsächlich in und um New Orleans. Diesmal schlüpfe ich in die Rolle von Aveline de Grandpré, der ersten weiblichen Hauptfigur der Reihe. Es ist schön, dass das bulgarische Entwicklerstudio Ubisoft Sofia und die italienische Niederlassung in Milano diesen wichtigen Schritt gehen. Problematisch ist jedoch, dass es den Autoren nicht gelingt, die vom französischen Kaufmann Philippe Olivier de Grandpré und der befreiten Sklavin Jeanne abstammenden Aveline als die mutige und starke Frau zu zeigen, die sie in Assassin’s Creed III – Liberation darstellen soll. In abgehakten Episodenfetzen bekomme ich im Handlungsverlauf zwar mit, dass Jeanne irgendwann verschwunden ist und sie früh von der Bruderschaft unter der Leitung des westafrikanischen Agaté zur Assassinin ausgebildet wurde, doch muss ich mir vieles selbst zusammen reimen – und wenn die Erzählung dann mal so weit ist, um mir Informationen zu geben, bin ich wenig überrascht. So wundert es mich auch nicht – und hier weise ich noch mal auf den Spoiler-Gehalt dieser Kolumne hin –, dass ich die Absichten von Avelines Stiefmutter Madeleine de L’Isle meilenweit gegen den Wind riechen kann. Tja, wer könnte denn bloß der ominöse Gegenspieler, der Company Man, sein?

Fragwürdige Spieldesignentscheidungen

Des Weiteren sollte angemerkt werden, dass die Charaktere von Assassin’s Creed III – Liberation nur wenig mit Hintergrundinformationen versehen werden, die wie noch im dritten Teil nachgelesen werden können. Nachschlagbare Hintergründe zu Orten oder historischen Tatsachen fehlen. Irgendwann lösen die Spanier in New Orleans die Franzosen ab, doch kriege ich davon nur am Rande etwas mit. Missionsdetails und knapp gehaltene Dialoge geben dem Titel in dieser Disziplin den Rest. Ich hätte nicht gedacht, dass es noch schlechter als im dritten Teil geht, aber hier haben die Autoren entweder zu wenig Zeit oder gleich keinen Lohn mehr vom Publisher bekommen. Beim Gameplay bleibt hingegen fast alles beim Alten, auch wenn es eine spannende Spielerei gibt, auf die ich gleich noch zu sprechen komme. Erst einmal sollte aber der Standard abgehakt werden: Türme erklimmen, Auftragsmorde ausführen, feindliche Lager infiltrieren und Collectibles sammeln. Bei Letzterem haben sich die Entwickler übrigens gedacht, dass diese nur temporär auf der Karte verzeichnet werden, wenn ich mich in der Nähe befinde. Ganz ehrlich: Warum sollte eine offene Spielwelt auf den Komfort verzichten, wenn abseits des sammelbaren Schnickschnacks da ohnehin nichts passiert? Ja, irgendwie sollte die Ubisoft-Formel auf portable Konsolen gehievt werden. Die Milchmädchenrechnung in Assassin’s Creed III – Liberation hat nur einen Haken: Sie geht in dieser Form nicht auf.

Rollentausch

Bitte nicht falsch verstehen: Im Gegensatz zu den beiden Nintendo-DS-Ablegern und dem auf der PlayStation Portable respektive dem Download-Bereich auf der PlayStation Vita gefangenen Assassin’s Creed: Bloodlines ist das vorliegende Spiel schon eine starke Steigerung – und es erschien schließlich parallel zum dritten Serienteil. Erwartungen hätte ich hierbei ohnehin nicht haben dürfen. Kommen wir aber zum Element, das mich überrascht hat. Es ist an verschiedenen Stellen möglich, sein Outfit zu wechseln. Dies hat dann nicht nur rein kosmetische Auswirkungen auf Aveline, sondern ähnlich wie in Final Fantasy X-2 auch auf ihr Rollenverhalten. Als Assassinin wird sie auf der Straße gleich erkannt und wird je nach Verhalten von Wachen verfolgt. In dieser Rolle ist sie überaus wendig und kann die stärksten Waffen verwenden. Als Sklavin kann ich mich etwas sicherer durch New Orleans bewegen und mich je nachdem auch besser irgendwo einschleichen. Springe ich aber nur einmal aus Versehen, was anhand der immer noch verdammt hakeligen Steuerung häufig vorkommt, auf eine Kiste oder halte mich an Häuserfassaden fest, steigt der Gesuchtheitsgrad sofort. Zu guter Letzt kann ich auch die feine Dame mimen und mich ganz dem Rollenklischee hingeben und Wachsoldaten bezirzen. Oh, und mit einem Schirm kann ich versteckte Giftpfeile verschießen. Allerdings ist es sofort aus mit Aveline, wenn ich mich irgendetwas schuldig mache. Sie ist viel zu langsam.

Abstergo Entertainment

Weitere Elemente wie die Seeschlachten aus dem vorherigen Teil fehlen in Assassin’s Creed III – Liberation. Komischerweise gibt es aber Nebenquests, in denen ich Verbündete für meine Schiffscrew sammle. Egal, die Trophäe fürs Abschließen nehme ich! Überraschend ist die Technik, denn das Remaster läuft besser als der dritte Teil, hat kräftigere Farben und in der Entfernung ist Nebel nur im sumpfigen Bayou ein Begriff. Diese grüne Hölle zu durchqueren ist anstrengend – und das liegt nicht an den Alligatoren. Nein, Aveline kann höhere Grashalme nicht zur Seite schieben und sich oft nicht festhalten, um sich hochzuziehen. Ständig muss ich Umwege nehmen! Auf Dauer raubt mir das den letzten Nerv. Dafür gehört der Soundtrack zum Besten, was die Reihe bis hierhin zu bieten hat. Es sind markante Stücke in der Musikauswahl und kein hintergründiges Gedudel der Marke Hans Zimmer. Wer sich übrigens fragt, ob es Gegenwartsabschnitte gibt, wird enttäuscht. Stellt euch vor, ihr spielt ein Produkt von Abstergo und bekommt vor dem Abspann ein Ende zugunsten der Templer. Kein Witz! Erst wenn ich sechs spezielle wie wehrlose Bürger eliminiere, komme ich in den Genuss des echten Endes. Dann sehe ich kurz Anhänger von der Eva aus der Bibel, die sich gegen die Erste Zivilisation stellen. Anschließend töte ich den Company Man und alle Menschen vor Ort jubeln mir plötzlich zu, obwohl diese vorher zur Pro-Templer-Fraktion gehörten. Assassin’s Creed III – Liberation kann man sich nicht ausdenken. Man will es auch nicht selbst erleben.

Geschrieben von Eric Ebelt

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